Kümmern

Kümmern

seit über 2000 Jahren

Hatten die Druiden Angst, das Rezept ihres Zaubertranks geklaut zu bekommen? Sie haben sich jedenfalls konsequent geweigert, etwas schriftlich festzuhalten. Wissenschaftler haben es daher nicht einfach, hinweise auf die Sprache unserer keltischen Vorfahren zu finden. Eine wichtige Quelle sind Flur- und Gewässernamen, sowie alte, an die Arbeit in der Landwirtschaft gekoppelte Begriffe. Auch im Weinbau finden sich noch Lebenszeichen der Gallier. Neben Lay, dem Synonym für Schiefer, gilt die gallische Herkunft auch beim Begriff "Kummer" als gesichert. Als Kummer bezeichnen wir den Schotter, mit dem der Boden in unseren Weinbergen abgedeckt wird. Und Kümmern oder Bekümmern nennen wir das Ausbringen der Steine.


Bei der Weinbergsarbeit kullern übers Jahr viele Steine hangabwärts und liegen dann meist auf den Mauern und auf den Treppen. Ganz schön gefährlich, da es hier auf einen sicheren Tritt ankommt. Ein Arbeitsgang im Winter heißt daher: "Mauern abschöpfen". Die Steine werden dabei auf die jeweils untere Terrasse geschaufelt. Da so von der obersten Terrasse immer mehr Steine verschwinden, muss sie in regelmäßigen Abständen gekümmert werden. Dort, wo die höchstgelegene Terrasse an einem Fels endet, wurden früher Steine gebrochen, mit einem schweren Hammer zerkleinert und dann gleichmäßig verteilt. Bis in die 1950er Jahre, wie ältere Kollegen berichten.


Und heute? Wir geben unser Bestes, damit der über 2000 Jahre alte Begriff lebendig bleibt! In einigen Weinbergen, besonders im Uhlen, helfen uns die Wildschweine. Auf der Suche nach Eicheln in dem über den Terrassen gelegenen Wald befördern sie oft mehr Steine talwärts, als es uns lieb ist, und wir die Stöcke vor Steinschlag durch einen festen Zaun schützen müssen. Das andere Extrem sind Weinberge, die an einem Wirtschaftsweg enden. Hier ist der Kummer Mangelware oft im ganzen Weinberg. Glücklicherweise können wir hier mit einem LKW anfahren, die Steine (vorsichtig) abkippen und mit der Hacke talwärts ziehen. Bei den Mengen an Steinen und den vielen Stunden Arbeit hat es was von Sisyphus. Besonders, da es alle paar Jahre wiederholt werden muss. Aber nach mehr als 10 Jahren sehen wir hier und dort schon ganz akzeptable Ergebnisse. Ein größeres Erfolgserlebnis schenken uns Weinberge, die wir komplett neu pflanzen. Da müssen wir auf die Reben keine Rücksicht nehmen und können die Steine durch Röhren ins Tal donnern lassen. Beim letzten komplett gekümmerten Weinberg - siehe Fotos - haben wir pro 1000 m² unglaubliche 250 Tonnen Schotter ausgebracht! Zwei Wochen Arbeit - und ein Krach wie bei einem Erdbeben. Aber dann.... Wir haben den Weinberg 2018 gepflanzt, dem trockensten Jahr seit Langem. Und die Reben sind gewachsen! Langsam zwar, aber mit dunkelgrünen, gesunden Blättern. Der Kummer schützt den Boden nämlich nicht nur vor Erosion, er schützt ihn auch vor Verdunstung. Und zu guter Letzt ist Kummer der beste Schutz vor unangenehmem Bewuchs von Gras, Winde und Brombeeren. Zugegeben, zu Beginn macht das Laufen über den Schotter keinen großen Spaß. Aber da wir heute horizontal arbeiten ordnen sich die Steine in der Zeile nach einigen Jahren zu kleinen, recht bequemen Mikroterrassen. Die Steine verhaken sich und bleiben liegen. Ein Weinberg für 100 Jahre!

Kümmern gehört wie das Mauern zu den scheinbar anachronistischen Investitionen, die wir ganz besonders lieben.

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Kümmern

seit über 2000 Jahren

Hatten die Druiden Angst, das Rezept ihres Zaubertrank geklaut zu bekommen? Sie haben sich jedenfalls konsequent geweigert, etwas schriftlich fest zu halten. Wissenschaftler haben es daher nicht einfach, hinweise auf die Sprache unserer keltischen Vorfahren zu finden. Eine wichtige Quelle sind Flur- und Gewässernamen, sowie alte, an die Arbeit in der Landwirtschaft gekoppelte Begriffe. Auch im Weinbau finden sich noch Lebenszeichen der Gallier. Neben Lay, dem Synonym für Schiefer, gilt die gallische Herkunft auch beim Begriff "Kummer" als gesichert. Als Kummer bezeichnen wir den Schotter, mit dem der Boden in unseren Weinbergen abgedeckt wird. Und Kümmern oder Bekümmern nennen wir das Ausbringen der Steine.


Bei der Weinbergsarbeit kullern übers Jahr viele Steine hangabwärts und liegen dann meist auf der Mauern und auf den Treppen. Ganz schön gefährlich, da es hier auf einen sicheren Tritt ankommt. Ein Arbeitsgang im Winter heißt daher: "Mauern abschöpfen". Die Steine werden dabei auf die jeweils untere Terrasse geschaufelt. Da so von der obersten Terrasse immer mehr Steine verschwinden muss sie in regelmäßigen Abständen gekümmert werden. Dort, wo die höchstgelegene Terrasse an einem Fels endet, wurden früher Steine gebrochen, mit einem schweren Hammer zerkleinert und dann gleichmäßig verteilt. Bis in die 1950er Jahre, wie ältere Kollegen berichten.


Und heute? Wir geben unser Bestes, damit der über 2000 Jahre alte Begriff lebendig bleibt! In einigen Weinbergen, besonders im Uhlen, helfen uns die Wildschweine. Auf der Suche nach Eicheln in den über den Terrassen gelegenen Wald befördern sie oft mehr Steine talwärts, als es uns lieb ist, und wir die Stöcke vor Steinschlag durch einen festen Zaum schützen müssen. Das andere extrem sind Weinberge, die an einem Wirtschaftsweg enden. Hier ist der Kummer Mangelware oft im ganzen Weinberg. Glücklicherweise können wir hier mit einem LKW anfahren, die Steine (vorsichtig) abkippen und mit der Hacke talwärts ziehen. Bei den Mengen an Steinen und den vielen Stunden Arbeit hat es was von Sisyphus. Besonders, da es alle par Jahre wiederholt werden muss. Aber nach mehr als 10 Jahre sehen wir hier und dort schon ganz akzeptable Ergebnisse. Ein größeres Erfolgserlebnis schenken uns Weinberge, die wir komplett neu Pflanzen. Da müssen wir auf die Reben keine Rücksicht nehmen und können die Steine durch Röhren ins Tal donnern lassen. Beim letzten komplett gekümmerten Weinberg - siehe Fotos - haben wir pro 1000 m² unglaubliche 250 Tonnen Schotter ausgebracht! Zwei Wochen Arbeit - und ein Krach wie bei einem Erdbeben. Aber dann.... Wir haben den Weinberg 2018 gepflanzt, dem trockensten Jahr seit Langem. Und die Reben sind gewachsen! Langsam zwar, aber mit dunkelgrünen, gesunden Blättern. Der Kummer schützt den Boden nämlich nicht nur vor Erosion, er schützt ihn auch vor Verdunstung. Und zu guter Letzt ist Kummer der beste Schutz vor unangenehmem bewuchs von Gras, Winde und Brombeeren. Zugegeben, zu Beginn macht das Laufen über den Schotter keinen großen Spaß. Aber da wir heute horizontal arbeiten ordnen sich die Steine in der Zeile nach einigen Jahren zu kleinen, recht bequemen, Mikroterrassen. Die Steine verhaken sich und bleiben liegen. Ein Weinberg für 100 Jahre!


Kümmern gehört wie das Trocken-Mauern zu den scheinbar anachronistischen Investitionen, die wir ganz besonders lieben.

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