von der aeolischen Harfe zur Panflöte

von der aeolischen Harfe zur Panflöte

und wo bleibt Dionysos?

Klanginstallation, 1999

Die Panflöte - Mozart oder heay metal?

Angang der 1980er Jahre gehörten wir zu den ersten Winzern, die gezüchtete Hefen einsetzten - und zehn Jahre später gehörten wir wiederum zu den Ersten, die damit aufhörten. Aber der mikrobielle Kosmos unseres Kellers war aus dem Gleichgewicht und das sich hierdurch manchmal über Jahre hinziehende stop and go der Gärung bereitete uns schlaflose Nächte. Was tun? Aus dem Studium wussten wir, dass Kühe auf Musik reagieren, bei Heavy Metal verkrampfen und bei Mozart gerne mehr Milch geben. Warum sollten nicht auch unsrer Hefen auf angenehme Musik ansprechen? Mitte der 90er Jahre reifte die Idee einer Panflöte, die aus dem Keller ragend den Wind einfängt und in Töne verwandelt. Ein Hexachord solle es sein, um den langen Kellergewölben mit ihrer Anmutung als Kirchenschiff mit Gregorianik gerecht zu werden. Und, ganz wichtig: Die Töne sollten den Wein nicht manipulierend in eine bestimmte Richtung drängen, sondern als "fruchtbare" Schwingungen für unterschiedliche Bedürftigkeiten zur Verfügung stehen. Als erdig zwischen Dur und Moll stehende Tonart haben wir uns für Es-Dur entschieden. Und tatsächlich! Nach zwei suchenden Stunden mit einem Keyboard schwebte im Gewölbe ein harmonischer und melodischer Klangteppich - die Töne waren gefunden! Damit sie die dicken Kellermauern besser durchdringen, haben wir sie einige Oktaven tiefer transponiert und ein Physiklehrer (er wies uns dezent darauf hin, dass jemand mit Abitur das eigentlich selbst können müsste) errechnete aus der Tonfrequenz die Länge der Orgelpfeifen. Wertvolle Hinweise zum optimalen Durchmesser erhielten wir vom benachbarten Orgelbauer Oberlinger. Das Ergebnis:

Ton Frequenz (Hz) Wellenlänge (m) Rohrlänge (m)
es 38,9 8,696 4,35
as 51,9 6,515 3,26
c 65,4 5,171 2,58
es 77,8 4,348 2,17
f 87,5 3,876 1,94
as 103,8 3,257 1,63

Seit 1999 beseelt nun der Sound leise und unaufdringlich unseren Gewölbekeller. Ein schönes Gefühl! Bei genauerer Betrachtung der Töne haben wir noch folgende interessante Aspekte entdeckt: Der Ton c liegt unweit der Frequenz des Umlaufs der Erde um die Sonne (68,4 Hz), die sich rechnerisch durch Oktavieren der Frequenz 1/365,24 ergibt. (Der Ton zwischen c und cis wird in der indischen Musik als »die Mutter« bezeichnet.) Und das as - der frühbarocke Kammerton A, Fundament europäischer Musik - entspricht ziemlich genau der Umlaufzeit des Mondes. Aus den 29,53 Tagen des Mond-Monats errechnen sich 423,29 Hz (und in den tieferen Oktaven entsprechend 105,8 und 52,9).

die aeolische Harfe - die Stimmen der Götter

Am Anfang war das Wort... der Hauch Gottes... Der Wind steht in allen Mythen für die Geburt der patriarchalen Religionen resp. des bewussten Menschen. Die Priester in Dondona, dem ältesten hellenischen Heiligtum, lauschten dem Rascheln der Blätter ihrer heiligen Eichen, und König David öffnete zu mitternächtlicher Stunde die Tür seines Zeltes, um den Wind über die Saiten seiner Gitarre streichen zu lassen.


nichts geht ohne Dionysos

Den oben zitierten hellenischen Priestern wird nachgesagt, dass sie barfuß gehen mussten und ihnen das Waschen ihrer Füße untersagt war, damit sie bei all' dem Götterhören nicht den Kontakt zur Erde, zur Natur, verlieren. Was für ein schönes Bild! Kultur entsteht durch Integration von Geist und Körper. Zivilisation lebt aus der (sinnvollen) Begegnung des Menschen mit der Natur! Als energetischer und symbolischer Gegenpol zur Panflöte lassen wir daher Grundwasser der Mosel durch unseren Keller fließen. In dem entstehenden Spannungsfeld zwischen Apollon und Dionysos oder, asiatisch formuliert, zwischen Feng und Shui, findet unser Wein optimale Rahmenbedingungen für seine individuelle Entwicklung. Bei der Begegnung von Struktur uns Chaos, an der Grenzfläche von Kontrolle und Laissez-faire.


Zwischen Himmel und Erde
Fernando Knof gehört zu der Generation junger Musiker, die "auch Computer kann". Gefühlvoll hat er die Tonaufnahmen aus unserem Keller akustisch gereinigt und zusammengefügt. Aus dem apollinischen Sound der Panflöte und dem dionysischen Blubbern der Gärung entstand ein spannendes und gleichzeitig entspannendes Hörerlebnis - irgendwo zwischen dem Soundtrack von Kapitän Nemo, Gregorianik und tibetanischer Meditation.                                     
 

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