Nach diesem Coronawinter freuen wir uns ganz besonders auf den Frühling und auf Sonnenschein. Wir hoffen auf ungezwungenes Beisammensein, Reisen und Tanzen. Mit diesem Gefühl im Bauch ist ein neuer Wein entstanden: Schieferterrassen Bohème. Nach langem Hefelager zeigt er sich – ähnlich wie das letztjährige Jubiläumscuvée – fruchtig, saftig und strahlend, mit einer schiefrigen Würze, verspielt bis übermütig, exzentrisch und gesellig.
Der Blick auf den Jahrgang 2020 ist natürlich geprägt von der Pandemie und den damit verknüpften Veränderungen, Sorgen, Reisebeschränkungen und Hygieneverordnungen. Den Reben war das alles ziemlich egal, die hatten ihren eigenen Plan: Pünktlicher Austrieb, dann eine durch die kalten Eisheiligen verzögerte Blüte. Es folgte ein warmer, trockener Sommer, am Ende dann viel Regen im Herbst und hierdurch eine sehr unterschiedliche Traubenreife. Das hieß für uns: Sortieren, sortieren. Am Ende blieb eine extrem kleine Menge, die aber eine tolle Jahrgangsspezifik und Spannung verspricht. Nach schöner Gärung liegt der Jahrgang jetzt im Keller auf der Hefe und darf in aller Ruhe im Holzfass reifen.
Dass ein langes Hefelager ein Mehr an Tiefe und Geschmack in den Wein bringt, wissen wir nicht nur bei dem Schieferterrassen Bohème zu nutzen. Jahr für Jahr entlocken wir so schon dem Uhlen Roth Lay zusätzliche Komplexität und Vielschichtigkeit. Deshalb haben wir schon lange den Wunsch, diese Zeit auch den anderen Lagen im Uhlen zu schenken. Nun ist es soweit. Mit dem Jahrgang 2020 verlassen neben Roth Lay auch Laubach und Blaufüsser Lay erst nach 24 Monaten den Keller. Im Zuge dessen fällt die Subskription weg, das heißt: bitte –insbesondere wegen der kleinen Menge – die Weine vorreservieren. Die Rechnung kommt aber erst mit Auslieferung im September 2022. Alle übrigen Weine des Jahrgangs 2020 sind wie gewohnt ab September dieses Jahres verfügbar.
„Marmor Stein und Eisen bricht…“
... Und die Liebe zu unseren Weinbergen verfestigt sich immer mehr. Denn hier bricht es sich weit weniger metaphorisch als in dem alten Schlager von Drafi Deutscher. Marmor – als fossiler Kalk der Laubachschichten, Stein – in Form verschiedenen Schiefer, und Eisen – besonders als Hämatit im Kirchberg und der Roth Lay. Wettereinflüsse und Mikroorganismen brechen die Felsen und verwanden sie in fruchtbare Erde. So werden unsere Reben in jedem Weinberg mit einem ganz individuellen Schiefercocktail verwöhnt. Was sind wir froh, mit derart viel unterschiedlichen Schiefer arbeiten zu können!
Leider wird die Faszination individueller Böden auch im deutschen Weinbau immer noch mit Kunstdünger verfälscht. Mit Speck fängt man Mäuse und mit Subventionen, so das richtige Kalkül der Politik, können Winzer zu weniger Mineraldünger motiviert werden. Bei uns gibt es hier nichts zu reduzieren – wir arbeiten rein organisch. Aber die Subvention nehmen wir natürlich gerne mit. Voraussetzung dazu sind u.a. flächendeckende Bodenanalysen.
Über die uns dieser Tage zugeschickten Befunde haben wir uns sowohl geärgert als gefreut. Geärgert, weil uns trotz guter Werte unaufgefordert Düngevorschläge unterbreitet wurden. Gefreut, weil Nährstoffe in so großen Mengen gemessen wurden, wie es aus offiziellen Sicht ohne Kunstdünger eigentlich gar nicht möglich. Richtig stolz sind wir auf den hohen Humusgehalt. Mehr als das Doppelte des „amtliche Zielwerts“ – was auch immer das ist. Richtig elektrisiert waren wir über die Höhe der pflanzenverfügbaren Spurenelemente. Aluminium, Bor, Mangan, und ganz besonders bei Eisen. Spitzenwerte wie erwartet im Uhlen Roth Lay. Aber interessanterweise auch weiter flussabwärts in den anderen Bereichen des Uhlens und in den anschließenden Schieferterrassen. Warum?
Nicht nur analytisch, auch optisch korreliert in unseren Weinbergen der Eisengehalt mit der Höhenlage. Irgendwie unlogisch. Denn bei der Kollision der Urkontinente vor 325 Millionen Jahren wurden hier ja die Meeresböden nicht nur geschiefert, sondern auch noch um ca. 135 Grad über Kopf gedreht. Theoretisch müsste daher das gesamte diagonal anstehende Sediment des Old Red Kontinents rot gefärbt sein. Oder wurde bei der weiteren Drift nach Norden der rote Boden in den reduktiven Rossbreiten wieder zu grauen Steinen reduziert um dann in späteren Jahren bei entsprechendem Klima wieder bis in eine bestimmte Tiefe oxidiert zu werden? Vielleicht. Aber warum sind dann die Felsen auch weiter flussabwärts der Roth Lay derart rot gefärbt?
Endlich sind wir einer plausiblen Erklärung begegnet: Die enormen Mengen von Eisen und Mangan fanden erst sehr viel später ihren Weg in unsere Schiefer. Die Metalle stammen aus dem sogenannten „Rotliegenden“, einem relativ lockeren, bei der Kollision nicht verdichteten Gestein. Es wurde in den folgenden Jahrmillionen des Perms langsam abgetragen. Und dabei sickerten die Eisen- und Manganoxide ins Grundwasser und fanden so ihren Weg durch kleinste Ritzen und Spalten bis in die Tiefen unserer Schiefer.
Das so entstandene ocker-braun-rot-violette Farbenspiel und die runenartigen Zeichnungen sind einfach faszinierend. (Fotos auf der Roth-Lay-Seite unserer Homepage). Die schweren, eisenhaltigen Steine nährten in der Vergangenheit immer wieder Gerüchte über einen Meteoriteneinschlag. Und im Weingesetz von 1912 wurden die „roten“ Böden sogar mit einer eigenen Lage, dem „Eisenberg“, geadelt. Auch wir hatten anfangs die Abgrenzung von Roth-Lay zu Laubach rein über den Phänotyp vorgenommen. Bei der späteren Kontrolle des geologischen Landesamtes wurde dann jedoch festgestellt, dass ein Teil der roten Felsen durch ihren hohen Kalkgehalt den Laubachschichten zugeordnet werden müssen. Schmecken die anders? Das wäre eine spannende Erfahrung! Ja, vielleicht vinifizieren wir irgendwann mal aus rotem Laubach einen „Eisenberg“.
40 Jahre Heymann-Löwenstein! Was für eine Zahl! Zum Glück brauchten wir nicht so lange wie der gute Moses bei seinem Auszug aus Ägypten und konnten schon nach 4 Jahren in Winningen unsere 4 zukunftsweisenden Pflöcke einschlagen: Terrassenweinberge, Ökologie, trockene Rieslinge und eine Klassifikation der Weinberge.
Die Terrassen sind auf mittlerweile 14 ha angestiegen. Im internationalen Vergleich ein Mini-Weingut. Aber bei einem Arbeitseinsatz von über 2000 Stunden pro Hektar – viermal so viel wie in Flachlagen – kommen wir oft ganz schön ins Schwitzen. Sowohl bei der Organisation der Arbeit wie auch bei der Lohnabrechnung. Anachronismus in einer von Geiz ist Geil und Rabattschlachten geprägten Weinszene? Nennen wir es lieber Avantgarde. Nicht industriell optimierter Geschmack sondern kultureller, nachhaltiger Genuss garantiert das Überleben des Weinbaus in Deutschland.
Der ökologische Denkansatz der 80er Jahre hat sich weiter entwickelt zur Nachhaltigkeit. Neben dem Weinberg stehen heute auch der Keller und das soziale und ökonomische Umfeld im Fokus der Betrachtung. Aus axiomatischen Strukturen entwickelt sich ein systemischer Ansatz, aus Schwarz-Weiß-Denken die Suche nach dem sinnvollen Kompromiss. An der Entwicklung des Zertifikats „Fair and Green“ waren wir maßgeblich beteiligt und freuen uns über steigende Mitgliederzahlen und eine immer bessere Vernetzung in Verbänden und Politik. In diesem Jahr starten wir das bislang größte Projekt für Biodiversität in Weinbergen!
‚Totengräber des Moselweins‘ – so die Reaktion etlicher Kollegen auf unsere trockenen Rieslinge. Für viele waren wir jedoch ein Hoffnungsschimmer in Zeiten des Bankrotts der Wirtschaftswunderspätlesen. Es ehrt uns sehr, in der Presse als Vorbild einer neuen Winzergeneration und „Pate“ eines neuen Stils für Moselwein gefeiert zu werden. Obwohl… So ganz so neu ist die Stilistik auch wieder nicht. Terrassen mit hoher Pflanzdichte, Spontangärung mit wilden Hefen, langes Hefelager im Holzfass…. So wurde auch der Hochzeitswein unserer Eltern und der unserer Großeltern vinifiziert.
Auch beim 4. wichtigen Eckpunkt, der Lagenklassifikation, können wir heute sagen: Geschafft! Der VDP hat eine Klassifikation der Weinberge nach burgundischem Vorbild verabschiedet. Mit einer so starken Strahlkraft in die Weinszene, dass ein neues Gesetz in der Pipeline steckt in dem – erstmals seit 1892, ganz vorsichtig – der Fokus wieder auf die Herkunft gerichtet werden soll. Highlight in unserem Weingut war natürlich die offizielle Anerkennung unserer geologischen Schieferformationen im Uhlen. Hier liegen nun die ersten deutschen appellations controllées für Spitzenweine!
Jahre Heymann-Löwenstein. Das war jedes Jahr die Fahrt auf einer neuen Achterbahn mit Höhen, Tiefen und rasanten Loopings durch Wetterkapriolen und administrative Dschungel. Wir haben uns immer mehr darauf eingelassen und konnten daher auch unseren Weinen erlauben, die Fesseln der kontrollierbaren quadratisch-praktischen Welt der 4 zu sprengen, um neue Dimensionen zu erkunden. Zur Quintessenz? Naja, so dick wollen wir dann doch nicht auftragen...
Aber wir sind glücklich, dass unsere Weine heute in der Welt der Kultur angekommen sind. Über den guten Geschmack hinaus reflektieren sie Weinberg und Jahrgang und verunsichern zusätzlich immer wieder durch ihren Eigensinn. Sie sind das spannende Resultat einer Vinifikation an der Grenzfläche von Kontrolle und Laissez-faire, von Struktur und Chaos. Es sind Weine mit einem hohen Maß an Komplexität, Weine die faszinieren und provozieren, die das Herz erwärmen und gleichzeitig den Geist beleben.
Hagel, Starkregen, Trockenheit, Hitze ... auch 2019 haben wir wieder einmal wenig geerntet. Aber was für Trauben! Sehr klein, sehr lockerbeerig: Garant für würzig-gehaltvolle Weine. Und dann die Kür: Feuchtigkeit zur richtigen Zeit bescherte uns eine Botrytisinfektion, und warmer Wind ließ die Beeren zu Rosinen schrumpfen. Diese Chance galt es zu nutzen! Sortieren war angesagt. Von Schieferterrassen bis zum Uhlen Roth Lay, Traube für Traube, Beere für Beere… Weit über 40 Hände, und über viele, viele Stunden.
Das stolze Ergebnis: Die 4. Lese unter der Regie von Sarah Löwenstein schenkte uns eine Fülle hochkonzentrierter Auslesen, gekrönt von einer spektakulären Trockenbeerenauslese. Noch immer leiden diese Weine unter dem (zu) süßen Vorurteil. Daher: Prinzipiell geht es uns bei der Vinifikation eines Terroirweins um Harmonie. Nur wenn sich Fruchtsüße, Säure, Würze und Alkohol in einem harmonischen Verhältnis begegnen, kann das Essentielle, kann der Weinberg geschmacklich Gestalt annehmen. Bei unseren hochreifen Trauben erleben wir diese Harmonie normalerweise im trockenen, durchgegorenen Wein. Und wenn das Wasser in der Beere verdunstet? Dann sind Inhaltsstoffe in den Rosinen derart konzentriert, dass die Weine einen höheren Gehalt ans Fruchtsüße benötigen, um die extreme Würze und Säure zu bändigen. In ihrer Ausgewogenheit sind sie aber alles andere als dominierend „süß“ und harmonieren daher nur sehr selten mit klassischen Nachspeisen. Sie begeistern als Aperitif, als geschmacklicher Kontrapunkt zu einem jungem, noch salzigen Ziegenkäse oder einem gereiften Comté, und verzaubern als fantastischer einfach-so-Gaumenkitzel.
„Die Trauben waren in diesem Jahre schon vor Mitte September so reif, wie sie sonst nur auch in günstigen Jahren erst Ende des Monats oder zu Anfang Oktober zu sein pflegen. Ich habe in den letzten Tagen auch nicht eine faule Traube gesehen; besser und gesünder als dieses Jahr dürften die Trauben kaum je gewesen sein; wir haben also einen ganz vorzüglichen Wein zu erwarten.“ Bronner (?) 1865
Auch im vorletzten Jahrhundert hat es sie gegeben, die extrem heißen Jahrgänge wie den oben beschriebenen 1865er. Oder den unglaublichen 1855er, der einen unserer Vorfahren in die glückliche Lage versetze, mit dem Verkauf seiner Ernte von sage und schreibe 300 Liter Most sein gerade fertig gestelltes Winzerhaus bis auf den letzten Groschen zu bezahlen!
Von der Kaufkraft solcher Jahrgänge können wir heute nur noch träumen. Aber dafür wir haben die Qualität! Dabei hatten wir in diesem von extremer Hitze und Trockenheit geprägten Jahr 2018 – die Temperatur knapp zwei Grad höher, nur die Hälfte der Niederschläge – eher vertrocknete Reben mit gelben Blättern und kleinen, saft- und kraftlosen Trauben erwartet. Aber es wurde August, es wurde September…. Die Blätter blieben grün! Und zu unserer großen Überraschung wurden die Trauben goldgelb, reif und saftig. Na ja, natürlich nicht überall. Viele junge Reben sind uns leider vertrocknet. Und auch die Trauben der in den letzten zehn Jahren gepflanzten Reben haben wir verworfen. Aber Freude und Zufriedenheit überwiegen. Die jahrelange Arbeit hat sich ausgezahlt. Humuswirtschaft, Engpflanzung, intensive Laubarbeiten… Was haben wir für lebendige und fruchtbare Böden! Mit ihrem unglaublich großen und mit unzähligen Mikroben besiedelten Wurzelgeflecht haben die alten Reben das Wetter einfach ignoriert und, scheinbar zum Trotz, eine derartige Fülle wunderbarer Trauben zur optimalen Reife gebracht, dass, hätten dies die alttestamentarischen Kundschafter gesehen, sie sich vielleicht ein ganz anderes gelobtes Land ausgesucht hätten. Wobei… Die Römer haben ihre Kolonien ja nicht nur mit Kellertechnik, sondern auch mit hochwertigen Reben versorgt. Und wo lag das römische Zentrum der Rebzucht? Genau: Im Lande Kanaan. Wie viele Gene aus dem gelobten Land heute in unseren Reben stecken, wissen wir nicht. Aber unsere Trauben des Jahres 2018 sahen so fantastisch aus, wie auf den schönen Abbildungen von Kaleb und Josua. Und sie schmecken! Oder besser, sie haben geschmeckt. Denn mittlerweile lassen wir uns vom Geschmack der jungen Weine verzaubern: Nachhaltig, würzig-salzig und mit tropischen Früchten unterlegt. Und jeder Weinberg mit seinem individuellen Charakter.
Dass authentischer Weinbergsgeschmack heutzutage so selten ist, haben wir den vielen zweifelhaften Segnungen der Moderne zu verdanken. Dass er auch vor hundert Jahren nicht die Regel war, ist der mittelalterlichen „kleinen Eiszeit“ geschuldet. Im Schatten weniger, sagenumwobener Ausnahmejahrgänge wurden seit dem 16. Jahrhundert nur zu oft grüne, unreife Trauben geerntet. Daher, auch wenn uns der momentane Klimawandel mit Hitze, Trockenheit, Sturm und Hagel permanent vor neue Heraus-forderungen stellt: Wir ernten in jedem Jahr reife Tauben! Elementare Basis für Weine, die nicht nur gut schmecken, sondern darüber hinaus eine kulturelle Botschaft transportieren: Die Singularität der Schiefer, den spannenden Geschmack versteinerter, 400 Millionen Jahre alter tropischer Meeresböden.
Aber wie sieht es in 50 Jahren aus? Wenn es mit dem Klimawandel linear so weiter geht, ist es definitiv irgendwann zu heiß für den Riesling. Und dann? Dann pflanzen wir Syrah und produzieren in unseren Terrassen die Weine der Côte Rôtie. Und wenn wir dann auch deren Preise realisieren… Was für eine schöne Fantasie! Aber Global Warming ist ein zu ernstes Problem, um ihm mit bequemem Fatalismus zu begegnen. Was tun? Wir sitzen ( zum Glück! ) nicht an den Schalthebeln der großen Politik und üben uns daher im Backen kleiner Brötchen. Schwierig genug. Welche Maßnahmen sind sinnvoll, welche sind populistische Nebenkriegsschauplätze, was ist realistisch, was Utopie? Wo liegt der sinnvolle Kompromiss zwischen den vielen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Zielen? Dies mit herauszuarbeiten war einer der Beweggründe für unser Engagement bei der Gründung von „Fair and Green“, der Initiative für nachhaltigen Weinbau. Gerade haben wir stolz Geburtstag gefeiert: 5 Jahre, 50 Mitglieder aus mittlerweile 5 verschiedenen Ländern. Noch keine Quintessenz, aber in einem immer fester gestrickten Netzwerk mit Politik, Verbänden und Hochschulen konnten wir schon enorm viel erreichen. Gerade sind wir involviert in das größte deutsche Forschungsprogramm für Biodiversität im Weinbau. Es geht weiter…
Schon beim Austrieb: Wieder Fraßschäden durch Erdraupen, wieder Nachtschichten, um mit Stirnlampe und kleinem Eimer bewaffnet die unangenehmen Zeitgenossen ein zu sammeln. Zweimal wurde die Polizei alarmiert – der nächtliche Fackelzug durch die Weinberge war unseren wachsamen Nachbarn nicht geheuer. Bunnyhop – kleiner Hügel, bei dessen Überfahrt negative g-Kräfte auftreten Aber die Hühner unseres Mitarbeiters Roland haben sich über die konzentrierte Eiweißnahrung sehr gefreut. Ein früher Austrieb birgt leider auch immer die Gefahr von Frostschäden. Diesmal hat es uns er-wischt. Nicht so existenziell wie viele andere Kollegen, aber es hat gereicht… In fast allen Weinbergen gingen wertvolle Triebe verloren. Das schmerzt nicht nur wegen der fehlenden Trauben, viele Reben bekamen hierdurch einen Schock für’s ganze Jahr, haben schlecht geblüht und waren sehr viel anfälliger für Pilzerkrankungen. Trotzdem, drei Jahre nach Einführung des „sanften Rebschnitts“ war es eine Freude, die vitalen Reben wachsen zu sehen. ' Waren wir bei dem regenreichen Sommer 2016 noch glimpflich davon gekommen – In diesem Jahr sind die Pilze Amok Heartline-Roll – Inversion, bei der die Fahrgäste um die Herzlinie gedreht werden gelaufen. Obwohl wir mit Backpulver (sic!) ein unglaublich wirksames Mittel gegen Schimmelpilze haben: Der Befallsdruck war in diesem Jahr extrem hoch, die Verluste an Trauben ebenfalls. Wie schön zu sehen, dass unsere vielen Mitarbeiter immer noch bei guter Laune waren, um dem grünen Reben-Dschungel Struktur zu geben! ' Dann kamen Gewitter mit Hagelschlag, dann wurde es im August an ein paar Tagen noch einmal so heiß, dass einige dem Sonnenlicht ausgesetzte Zero-G-Roll – Rolle, bei der der Fahrer Schwerelosigkeit erlebt Trauben verbrannten… Uff… Sah es nach der Blüte noch nach einer – endlich mal wieder – größeren Ernte aus, war es im August klar, dass wir unser angestrebtes Ertragsniveau von 5000 Litern pro Hektar auch in diesem Jahr wieder bei Weitem nicht erreichen würden. ' Gegen eine frühe Blüte – global warming lässt grüßen – ist aus der Qualitätsperspektive nicht einzusetzen. Was früher blüht ist dann halt auch früher reif. Unangenehm ist es allerdings, wenn die Blüte zeitig beginnt und sich dann, wie in diesem Jahr, über mehrere Wochen hinzieht. Durch den daraus folgenden heterogenen Reifeverlauf muss jeder Weinberg zweimal gelesen werden. 2017 waren der ersten Trauben schon Anfang September reif. Das haben leider auch die lieben Waldvögelein bemerkt und kurz darauf schafften Blackout – Kurzzeitige Bewusstlosigkeit bei einer Fahrt auf Grund hoher g-Kräfte es auch die Wildschweine, die Zäune an verschiedenen Stellen zu durchbrechen um sich an den Trauben genüsslich zu tun. ' Bei spätsommerlicher Hitze kamen aber auch die Wespen – und mit ihnen der Essig. Da war schnelles Handeln angesagt! Offizieller Beginn der Vorlese war der 8. September. So früh wie noch nie. ' Aber, alles hat auch seine guten Zeiten: Durch die Hitze gab’s auch eine Fülle köstlicher Rosinen. Und die hatten – weil so früh im Jahr – neben einem hohen Zuckergehalt auch noch eine fantastische Säure. „Süßweine“ sind ja nicht unser Thema. Aber Auslesen, bei denen Süße und Säure in der gleichen Intensität daherkommen… Über 500 Liter geradezu elektrisch aufgeladene Beerenauslesen reifen in unserem Keller! Das Resultat von sortieren, sortieren, Bei Möbius-Achterbahnen beschreibt die Strecke eine Unendlichkeit sortieren… Jeden Tag standen parallel zur Lese von morgens bis abends sieben Mitarbeiter am Sortiertisch: Hochwertige Botrytis für die Auslesen, optimal reife Trauben für die Klassiker, und alles andere auf den Kompost. Und die viele Arbeit Once upon a time there was a story that began once upon a time …hat sich wieder einmal gelohnt. Unglaublich, wie sehr der Charakter jedes Weinbergs schon im frisch gekeltertem Most zu schmecken war! Nun reift der junge Wein in Ruhe in seinen Fässern – und wir alle freuen uns auf Frucht und Präzision, auf Fülle und Mineralität, auf einen fantastischen Jahrgang.
Was haben Elsass und Baden für mich mit der Mosel zu tun? Riesling und Spätburgunder, sanfter Rebschnitt und Terroir, Tradition und progressive Ideen. Mit all‘ dem und mit Mann und Tochter im Gepäck bin ich, Sarah Löwenstein, seit August 2016 wieder zurück im Weingut.
Was mich antreibt? In jeder Flasche sowohl die Einmaligkeit unserer Weinberge als auch die unserer Mitarbeiter widerzuspiegeln und damit unser aller Arbeit schmeckbar und sichtbar zu machen. Wo ich das am liebsten mache? Online auf Facebook, Instagram und Co. und offline im Keller, aber am aller liebsten im persönlichen Gespräch.
Wann wird es wieder so sein wie früher? Hoffentlich nie. Aber dass sich der Weinbau in den Terrassen wieder richtig lohnt, dass die Spitzenweine von Bordeaux, Burgund, Rhein und Mosel nicht nur wieder in einem Atemzug genannt werden, sondern, wie vor hundert Jahren, auch gleiche Preise realisieren… Keine schlechte Idee! „Sag mir quando… lass uns träumen…“, sang Caterina Valente 1962 in ihrem so wunderbar kitschigen Bossa Nova. Und ja, träumen ist wichtig. Aber auch Anpacken! Beispiel Uhlen, unser Lieblingsweinberg. Die Aufteilung in die drei Subappellationen Blaufüßer Lay, Laubach und Roth Lay ist von deutscher Seite endlich legitimiert. Mit zugegeben wachsender Ungeduld warten wir nun auf den Segen aus Brüssel, um mit den „ersten deutschen Appellations controllées“ ein Stück Weinbaugeschichte zu schreiben: Erstmalig verspricht der Name des Weinbergs dann nicht nur eine bestimmte Herkunft, sondern garantiert darüber hinaus strenge Produktionskriterien: Hohe Pflanzdichte, 100% Riesling, höhere Reife, traditionelle Vinifikation… 'Auch mit der Sanierung unserer Weinbergsmauern kommen wir gut voran. Über 100 Kubikmeter Trockenmauern haben wir in den letzten Jahren neu aufgebaut. Unsere Mitarbeiter sind mittlerweile wahre Meister ihres Fachs und werden überall beneidet! ' Die nächste große Baustelle im Uhlen: möglichst viele Kollegen mit zu motivieren, die am Waldrand brachliegenden Terrassen zu bepflanzen, damit das einzigartige Amphitheater wieder in alter Schönheit erstrahlen kann.
Immer wieder steht die Frage im Raum: Wann sollen unsere Weine getrunken werden? Nun, generell entwickelt sich der Geschmack von Primärfrucht hin zu Kräutern und Mineralität. So schön einfach und richtig dieser Satz auch ist – er ist wenig alltagstauglich. Neben Schieferterrassen und Röttgen, die immer von saftigen Fruchtaromen unterlegt sind, gibt es Weine, bei denen Pfirsich, Maracuja & Co nur selten assoziiert werden können. Beim blauem Schiefer und Uhlen Blaufüßer Lay denken wir eher an kühle Steine. Der Kirchberg wirkt oft salzig-maritim, Stolzenberg hat etwas Warmes, ist aber ebenso flüchtig und scharf. Den Uhlen Laubach erleben wir leicht rauchig und beim Uhlen Roth Lay sind es wieder nasse Steine mit Anklängen von Veilchen und Lakritze. Aber stimmt das? Die Art und Weise, wie auf eine Insidersprache konnotierte Weinfreaks ihr önologisches Seelenleben in den Wein projizieren, ist mit Sicherheit weder eine universelle Weisheit noch für jeden reproduzierbar. Aber muss diese Sprache überhaupt erlernt werden? Ist Wein nicht eher ein organoleptischer Rorschachtest, eine Emanzipationsdroge, die zur freien Assoziation einlädt? ' Bei der Frage nach der optimalen Trinkreife spielt neben den Weinbergen der jeweilige Jahrgangscharakter eine entscheidende Rolle. Gerade in unserem „coolen“ Klima gleicht kein Jahr dem anderen. Haben wir mit 2011, 2012 und – so wie es momentan aussieht – 2016 Weine, die in der Jugend mit harmonischer Frucht verführen, sind die Gegenpole 2014 und 2015 von eher schroffer Schönheit. Hier steht momentan noch die Mineralität in all‘ ihren Facetten im Vordergrund, – die jugendlichen Weine klingen wie Free-Jazz…
Überhaupt, die Harmonie: Als Essensbegleiter sollte Wein ja mit den Speisen „harmonieren“. Das kann nun so sein, dass er einen geschmacklichen Gegenpol bildet, etwa ein fruchtbetonter Röttgen zu salzigem Ziegenkäse oder zu indischem Curry, oder aber Aromen und die Haptik der beiden Akteure finden zueinander um sich - Traum aller Genießer - gegenseitig zu kulinarischen Höhenflügen zu animieren. Ganz anders in der Weinprobe - erst Recht, wenn „blind“ verkostet wird. Hier sind es meist die jungen Wilden, die einen vom Hocker reißen. Es bedarf schon einer geübten Zunge, um bei einer Weinprobe mit den lauteren, extrovertierten Weinen zu beginnen um sich dann langsam den ruhigeren und wesentlich komplexeren, gereifteren Weinen zu nähern. Hier sind die in der Jugend dominanten Grundpfeiler Säure, Süße, Schärfe und Bitterkeit so miteinander verwoben, dass etwas qualitativ Neues entstanden ist. Sowohl in der Nase, wie auch am Gaumen. Eine faszinierende Aromatik und Haptik, eine eher sprachlose, aber spannende Fantasiereise in die archaische Welt des Riechens und Schmeckens. Wein! Ein Plädoyer für das Abwarten, für das Reifenlassen.
„Um Gottes willen, nein!“ Der innere Betriebswirt meldet sich zu Wort. „Nicht bunkern, sondern trinken und am besten morgen wiederkommen! Und, wer investiert schon so viel Geld in Wein, wer hat die Disziplin und wer genug Platz!“
Na gut. Machen wir einem Kompromiss. Vielleicht kommt ein guter Weinkeller ja auch mit ein paar Flaschen weniger aus, ohne dass die Götter gleich zürnen. Und vielleicht wird „jung“ genossen und ein paar Flaschen wandern trotzdem in die hintere Kellerecke.
Was für ein Glücksgefühl! Im Keller sind die ersten Proben des neuen Jahrgangs 2016 im Glas. Fantastisch! Vergessen der Raupenfraß im Uhlen und Röttgen, der Hagel im Kirchberg und Stolzenberg. Vergessen die sintflutartigen Regenfälle, das pilztreibende Tropenklima im Frühsommer. Vergessen der trockene August mit 38° C und sonnenverbrannten Trauben, das stundenlange Aussortieren in der Weinlese. Versöhnend strahlt der werdende Wein aus dem Glas. Ein warmes, befreiendes Gefühl. Jedes Fass ein Genuss, jeder Weinberg eine charakterstarke Persönlichkeit! Ja, es schmeckt nach einem Jahrgang mit Tiefgang, schmeckt nach feiner Frucht, nach voller und charmanter Reife.
Was war das für eine Hitze und Trockenheit! 50% gelbe Blätter mitten im August. Herbstverfärbung im Hochsommer! Wo soll das enden? Nein, ich schreibe nicht über 2015. Ich schreibe über Jahre wie 1990, 1997 und 1999. Jahrgänge, in denen es beileibe nicht so heiß und trocken daher ging wie in 2015.
Und trotzdem begann die Blattverfärbung im vergangenen Jahr – grad‘ wie sich’s gehört – Ende Oktober und bescherte uns bis weit in den November eine gold-gelb patinierte Terrassenlandschaft. 2015, das Jahr der glücklichen Winzer! Optimal reife Trauben mit endlich auch wieder einmal einer normalen Erntemenge. Aber wie passt das zum Wassermangel? Die zwar knappe und trotzdem stimmige Antwort lautet: konsequenter Verzicht auf „Kunstdünger“, konsequente Humuswirtschaft. Und warum?
Als sich unsere Vorfahren vor vielen Jahrhunderten anschickten, an den steilen Felshängen Weinberge anzulegen, hieß es „kräftig in die Hände spucken.“ Nicht nur, dass es hier so steil ist, dass man kaum stehen kann, es gibt auch kaum Erde, in die man die Reben pflanzen kann. Der Weinberg will erst einmal geschaffen werden! Das Verbrennen von Büschen und Hecken ist noch verhältnismäßig einfach. Dem folgt die schwierige Kunst des Mauerbaus – notwendig, um durch Terrassierung die Steilheit des Hangs zu bezwingen. Der Schiefer macht es einem als Sedimentgestein relativ leicht, Steine an Ort und Stelle zu brechen. Entlang der Maserung wird mit Hammer und Meißel ein Schlitz geschlagen in den trockene Keile aus Eichenholz getrieben werden. Gut gewässert und mit feuchtem Moos und Erde abgedeckt wird so der Fels über Nacht zu Steinen gesprengt. Und der Mauerbau kann beginnen. Stein auf Stein – natürlich ohne Mörtel! Mit dem Wachsen der Mauer wird der bergseitig entstehende Raum mit allem, was zur Verfügung steht, aufgefüllt: Kleinere Steine, Erde, Gras und Gestrüpp. Ist die Mauer – je nach Hangneigung oft erst nach mehreren Metern – hoch genug, wird der Boden zum Schutz vor Erosion mit Schiefer-Schotter abgedeckt. Und am oberen Ende der Terrasse kann mit dem Bau der nächsten Mauer begonnen werden.
Vielleicht ist es mittlerweile aber auch schon Frühjahr geworden und die Arbeit muss auf den Winter verschoben werden. Jetzt ist Pflanzzeit! Traditionell – oft noch bis in die 50er Jahre – mit sogenannten Blindreben. Frisch aus dem einjährigen Holz geschnittenen Reben werden sie ohne vorgetrieben zu sein in den Boden gesteckt – und damit sie in dem groben Stein-Erde-Gemisch nicht vertrocknen wie ein Sandwich in ausgestochene feuchte Waldwiese eingepackt. Zusätzlich zu dem in tiefen Bodenschichten eingebrachten Gestrüpp also noch einmal eine Menge organisches Material, welches in seiner Verwandlung zu Humus nicht nur in der Lage ist, große Mengen an Regenwasser zu speichern sondern unzähligen Lebewesen Nahrung und ein zu Hause zu bieten. Und das nicht nur kurzfristig. Denn bei einem Gehalt von über 50% Steinen ist das Bodengefüge so zerklüftet, dass sich durch den hohen Sauerstoffgehalt selbst in über einem Meter Tiefe eine von Mikroben bis zu Würmern und Käfern unvorstellbar differenzierte Tierwelt ihres Lebens erfreut und zum Auf- und Abbau der organischen Substanz beiträgt. Natürlich wollen die guten Geister ein wenig gefüttert werden. Früher alle drei Jahre mit Stallmist – heute halten wir sie mit Grünschnitt, Rebholz und kompostierten Trestern bei Laune.
Also alles in Butter? Gab’s keine Wirtschaftswunderjahre? Natürlich gab es die. Nicht mit bodenverdichtenden Traktoren – die haben in den Terrassen keine Chance – aber mit ertragssteigerndem Kunstdünger. Instinktiv so genannt weicht er heute einem weichgespülten Begriff „Mineraldünger“. Und ja, es ist richtig, dass die heutigen Dünge-empfehlungen der Industrie sehr maßvoll sind und es ist ebenfalls richtig, dass Mineralien per se noch keine Katastrophe darstellen. Es kommt auf Art und Menge an. Und die war in den 60er/70er Jahren dafür verantwortlich, dass sich die Reben immer mehr in Richtung Gewächshaustomaten entwickelten und dass sich das Bodenleben dramatisch verringerte. Logische Folge: die Anfälligkeit gegen Krank-heiten nahmen zu, die Wasserhaltefähigkeit des Bodens nahm ab.
In machen Weinbergen mussten wir über zwanzig Jahre warten, bis sich die Böden wieder erholt hatten, bis die Masse an organischer Substanz, und damit die Wasserspeicherkapazität, so hoch wurde, dass selbst die Trockenheit eines 2015er Sommers weggesteckt werden konnte und sich die Ernährung unserer Reben wieder durch das symbiotische Zusammenspiel der Wurzeln mit Myriaden von Mikroorganismen beschreiben lässt: Sie verwandeln die organische Substanz und den Schiefer in pflanzenverfügbare Leckerbissen – und verändern den Geschmack des Weins. Nicht grundlegend. Unsere Geschmacksbeschreibungen aus den 80er Jahren sind auch heute noch korrekt. „Röttgen“ zum Beispiel war schon immer die „barocke Fruchtfülle mit feinen Kaffeeröstaromen“. Aber während früher die Fruchtfülle im Vordergrund stand, ist es heute viel mehr die rauchige-salzige Mineralität. Oder der Uhlen Blaufüsser Lay: Noch bis Ende der 2000er Jahre ein zwar mineralisch-kühler, aber doch eher introvertierter Wein. Und heute tänzelt er wie eine Ballerina aus dem Glas und verzaubert mit einer charmanten Komplexität.
Unterstützt werden diese Prozesse in unserer Vinifikation: Durch unseren Neubau haben wir jetzt endlich Platz für einen großen Sortiertisch. Hier werden die Trauben noch einmal kontrolliert und alle „Rosinen“ bleiben mit ihrem fruchtigen Schmelz den Reservefüllungen und Auslesen vorbehalten. Bei den trockenen Weinen erhalten wir hierdurch einen noch präziseren Fokus auf die Mineralität! Und schließlich das große Holzfass: Optimale Nestwärme für ein langsames Gären und Reifen auf den eigenen Hefen. So entwickeln sich Tiefe, Komplexität und spannende Individualität in der Expression eines jedes einzelnen Terroirs.
Dabei sah im September alles noch nach „normal“ aus. Klar, der Winter war lang, die Blüte kam mit 10 Tagen Verspätung. Alles kein Problem, sondern mehr Hinweis auf einen späteren Lesebeginn. Dann aber der nicht enden wollende warme Regen im September. Das war selbst für die dickste Riesling-Haut ein Zuviel des Guten. Irgendwann waren sie da, die kleinen Verletzungen, auf die der Botrytis-Pilz nur gelauert hat. Innerhalb weniger Tage war ein Großteil der Trauben infiziert. Wenn’s jetzt trocken geblieben wäre, hätten wir uns vor Trockenbeerenauslesen nicht retten können. War aber nicht. Es blieb warm und nass. Und dann der Sturm! Blowin’ in the wind. Die reifen Trauben verschwanden auf Nimmerwiedersehen. Lange Gesichter bei der Lese. Zum Glück haben wir Antidepressiva im Keller! Lichtblicke dann beim Keltern: Trotz hoher Botrytis wunderbar klare und präzise Moste. Selbst bei 110 Grad Öchsle schmecken wir im Most den Unterschied von Uhlen Roth Lay und Röttgen!
Das amtliche Endergebnis: Eine Erntemenge von nur 21 hl/ha. Im Durchschnitt wogen die Trauben erfreuliche 97° Öchsle, hatten knackige 10,5‰ Säure und würzige 45% Botrytis. D.h. die Weine schmecken nach…. Ja, wenn wir das mal wüssten! Was wir sagen können ist: Sie werden mit Sicherheit konzentriert und gehaltvoll. Und bei der passenden Säure werden sie trotz des hohen Anteils von Botrytis nicht barock, sondern versprechen Geradlinigkeit und Präzision. Teurer werden sie nicht – das Produktionsrisiko ist unser Problem – aber sie werden mit Sicherheit gefragt, knapp und daher teilweise kontingentiert. Aber erst mal sind sie am Gären…
Anders als Trauben, kommen Hopfen und Malz nur nach einen Hefezusatz ans Gären. Der geniale Trick mit dem frischen Brotteig, von dem uns das schlaue Rumpelstilzchen erzählt, ist heute natürlich längst moderner Labortechnik gewichen. Auch in der Weinszene sieht es nicht anders aus. Es mag jeder halten, wie er will, aber wenn sich Weine hinterher mit Begriffen wie »Traditionell« »Authentisch« oder »Bio« schmücken… Unser Weg ist es, nicht nur den Schiefer, sondern auch die mikrobielle Identität eines jeden Weinbergs im Wein lebendig werden zu lassen.
Seit 20 Jahren gärt es in unserm Keller »spontan« und wir verlassen uns, ganz wie unsere Vorfahren, auf die in freier Wildbahn lebenden wilden Hefen. Diese kleinen, possierlichen Tierchen heißen nicht nur so, sie sind es auch: wild, chaotisch, unberechenbar. Mal unterbrechen ihre spirituelle Arbeit mit monatelangem Winterschlaf, mal meditieren sie ein Jahr lang über ein paar Zuckermolekülen oder sie lassen im angetrunkenen Zustand einfach ihre enzymatische Werkzeugkiste fallen – und unvergorene Fruktose übrig. Dabei sind ein paar Gramm ja ganz in Ordnung, nur…
Wer hat schon den Platz und die Disziplin, die manchmal zehn oder mehr Jahre zu warten, bis der opulente Schmelz geschmacklich in den Hintergrund tritt und der Wein sich – wie übrigens gerade der 2002er Röttgen alte Reben – mit köstlichen mineralisch-würzigen Reifearomen präsentiert? Wir sind daher sehr glücklich, in den letzten Jahren eine zunehmende Gärfreudigkeit unserer Hefen zu beobachten. Momentan sind tatsächlich schon alle Weine des Jahrgangs 2012 vergoren!
Doch nicht nur die Hefen waren fleißig, auch unseren Mitarbeitern gilt besonderer Dank! Sie haben sich während des fruchtbaren Regensommers mit unglaublichem Fleiß durch den blitzartig nachwachsenden Rebendschungel gekämpft, um durch optimale Durchlüftung den Pilzen ihren feuchten Nährboden zu entziehen. So konnten wir bei hoher Reife kerngesunde Trauben ernten. Faszinierend klare Schiefernoten sind das Resultat, die jedes Terroir präzise zum Ausdruck bringt: mineralisch, konzentriert und – um das unselige Wort zu bemühen – »richtig trocken«. Wie schön, dass sie noch bis in den Sommer – Uhlen Roth Lay wie üblich bis nächstes Jahr Ostern – Zeit haben, durch weitere Reife auf der Hefe ihr komplexes Aromenbild weiter auszubilden.
Spontanvergärung, Holzfässer und ein langes Hefelager lassen einen Weintypus mit Tiefe und Persönlichkeit entstehen, der sich neben gutem Geschmack durch eine heute bei Weißweinen kaum mehr bekannte Haltbarkeit auszeichnet. Selbst die Schieferterrassen aus den 90er Jahren machen uns heute noch große Freude. Und Weine wie der 1998er Uhlen Roth Lay sind momentan einfach zum Niederknien…
Ob jung oder gereift – er sollte in jeder Phase schmecken. Was bei unseren Weinen hierzu wichtig ist: Neben großen Gläsern zur Aromenentfaltung sollten sie vor dem Genuss mindestens eine halben Stunde in einer bauchigen Karaffe Zeit zum Durchatmen haben.
Finesse und die Feinheit der Perlage – auch Sekt verlangt eine ausreichende Reifezeit auf der Hefe. Neben dem Jahrgang vermerken wir daher auf dem Etikett auch den Monat des Degorgements. Etwa drei Monate sollte er noch nachreifen – dann können unsere Sekte bis zu 10 Jahre lang große Freude bereiten. Auch wenn wir gerne Champagner trinken: In unserem Keller gibt die Mosel den Takt an. So ist das »F« unser Fantasie der Schieferterrassen nicht der neuen Rechtschreibung geschuldet, sondern eine Hommage an die »Fantasie« aus der Musik: Eine weinige, tänzelnde Schiefer-Komposition. Ganz ähnlich bei unserem Blanc de Noirs. Hier sind es die Reben des Spätburgunders, die in ihrer der Rolle als Medium die geschmeidigen, feinwürzigen Bodennuancen ins Glas zaubern. Befreiung aus winterlichen Depressionen, Unterstützung sprießender Frühlingsgefühle, Erfrischung lauer Sommerabende, Schwelgen in warmer Herbstsonne… Blanc de Noirs oder Fantasie der Schieferterrassen? Das Prickelnde-Perlen-Paket mit je einer Flasche sollte für alle Not- und sonstigen Fälle jederzeit in Reichweite sein.
Carpe diem!
P.S. Nach jahrelangen Verhandlungen ist es uns tatsächlich gelungen, von der katholischen Kirche das an unser Weingut angrenzende Grundstück zu kaufen. Wir bauen! – Und sind sehr glücklich über die Verwandlung unserer architektonischen Visionen in Holz, Stahl und Stein. Fotos auf unserer Homepage zeigen den Baufortschritt.
P.P.S. Das Buch »Terroir«. Die gebundene Auflage von knapp 4000 Exemplaren ist langsam ausverkauft. Im Applestore ist die 2. Auflage nun als e-book erhältlich.
Im Jahr 2011 hat es die Natur ganz besonders gut mit uns gemeint. Ein ungewohnt früher Vegetations-beginn, weder Frost, noch Hagel, ein rieslingfreundlicher feucht-warmen Sommer… Schon im September die ersten reifen Trauben! Besonders entlang der Mauern und auf den humoseren Terrassen am Hangfuß konnten wir extrem konzentrierte Botrytis-Trauben für die Reserve-Füllungen ernten. Anders auf den kargeren Böden der höher liegenden Terrassen. Hier verlief die Lese wie auf einer Postkarte: Hochreife, saftige, goldgelbe Trauben.
Auch wenn es nach der kleinen 2010er Ernte betriebswirtschaftlich sehr schwer fällt, lassen wir die Weine bis Juli auf der Hefe reifen und liefern wie üblich erst im September. Erstmalig bieten wir übrigens neben dem Roth Lay auch die Reserve-Füllungen aus der Laubach in Subskription an. Diese Vorfinanzierung erlaubt es uns, die Weine bis zum Frühjahr 2013 in Holzfässern zu einem noch komplexeren Aromenbild reifen zu lassen.
Die Geschmacksbeeinflussung auch bei teuersten Korken sind wir immer weniger bereit zu tolerieren. Dabei ist der relativ geringe Prozentsatz „richtiger“ Korkschmecker noch zu verkraften. Schlimm sind die Flaschen, die ohne eindeutig nach Kork zu schmecken einen großen Teil ihrer Eleganz und Fruchtigkeit verlieren. Bitte lassen Sie uns bei Ihrer Bestellung wissen, ob Sie Naturkork oder Schraubverschluss bevorzugen – wir füllen wieder beide Varianten.
Wenn wir den Geschmack mit einem einzigen Begriff zu charakterisieren hätten, wäre es nach der „Mineralität“ des Jahrgangs 2008 und der „Eleganz“ von 2009 beim Jahrgang 2010 mit Sicherheit das Wort „Konzentration“. Was für ein Jahrgang! Die Rieslingreben haben fast die gleiche Menge an Zucker, Fruchtsäuren, Mineralien und Aromas eingelagert wie üblich. Diese Inhaltsstoffe verteilen sich allerdings diesmal auf 50% einer normalen Ernte. Statt um die 5000 Liter konnten wir pro Hektar nur 2500 Liter keltern. Solche Konzentrationseffekte kennen wir durch die Verdunstung in Folge einer Botrytisinfektion. Aber dass auch „normale“ Rieslingtrauben Mostgewichte von über 110° Öchsle erreichen haben wir bislang nicht für möglich gehalten.
Auch der Gärverlauf hat uns überrascht. Anstatt, wie bei solchen Konzentrationen zu erwarten, nur sehr schleppend und bis weit in den Sommer hinein zu gären, hatten wir es diesmal mit geradezu hyperaktiven Hefen zu tun die dem Fruchtzucker teilweise wild, teilweise gemächlich zu Leibe rückten. Die Weine sind erfreulich weit durchgegoren, so dass der verbleibende Fruchtzucker durch die höhere Säure und kräftige Mineralität so gut eingebunden ist, dass die Weine nicht in die Breite gehen sondern mit kristalliner und präzise fokussierter Stringenz große Trinkfreude versprechen.
Großes Kino also, von Schieferterrassen bis zum Uhlen. Wir werden dies bei allen Terroirs auf dem Etikett durch den Zusatz „Reserve“ kommunizieren. Das höhere Preisniveau des Jahrgangs 2011 korrespondiert – wir hatten das ja in den letzten Jahren beim Schieferterrassen und Röttgen „alte Reben“ schon öfter – mit der außergewöhnlichen Konzentration dieser Weine.
Riesling oder Röttgen? Weltweit boomt trockener Riesling. Selbst die „lieblichen“ Engländer und US-Amerikaner finden wieder zurück zu den mineralischen Weinen aus der Wachau, dem Elsass und deutschen Anbaugebieten. Zurück? Ja. Denn der „Rhein“ und „Mosel“, der in der Belle Époque in London und New York getrunken wurde, war, von wenigen Auslese-Ausnahmen abgesehen, ein durchgegorener Wein. Nur hieß er damals nicht Riesling, sondern wurde nach seiner Herkunft „Rüdesheimer“ oder „Piesporter“ genannt. Und nur bei der absoluten Spitze wurde zusätzlich auf den Geschmack des Weinbergs aufmerksam gemacht. Scharzhofberger, Sonnenuhr, Uhlen…
Nach 500 Jahren Winzertradition wurde in unserer Familie das Wort „Riesling“ erstmalig 1975 auf einem Etikett überhaupt vermerkt. Heute springt der Name aus jedem Supermarktregal. Nach Chardonnay und Merlot sitzt auch der Riesling im zweifelhaften Olymp der Global Brands. Ein Grund mehr, die Rebsorte nur im Kleingedruckten zu erwähnen. Denn das Faszinierende der alten tiefwurzelnden Reben liegt nicht in ihrem vermeintlichen Eigengeschmack, sondern in ihrer Rolle als Medium: Sie sublimieren den Charakter der unterschiedlichen Schiefer. Sie transformieren die 400 Millionen Jahre alten Meeresböden, das wechselhafte Mikroklima im Moseltal, die atemberaubend steilen Terrassen und das Können und den Fleiß unserer Mitarbeiter. So finden unsere Visionen von Terroir eine genussvolle Gestalt. Schieferterrassen, Röttgen, Uhlen…
Anbei eine Übersicht über den Jahrgang 2009. Der Witterungsverlauf mit seinem optimalen Mix aus Hitze, Kühle, Regen und Trockenheit, die wunderschönen kleinen, goldgelben Trauben und die spannenden Verkostungen während der Gärung versprechen einen Wein mit reifer Aromatik und prägnanter, finessenreicher Mineralität. Lassen wir ihn noch ein halbes Jahr auf der Hefe reifen…
Kork oder Schraubverschluss? Der Korken ist „schön“, gibt aber ab und zu ein paar Geschmacksmoleküle ab. Dem gegenüber ist der „perfekte“ Schrauber optisch und haptisch gewöhnungsbedürftig. Was ist besser? Nach dem wir letztes Jahr für den Export umgestellt haben – und ganz erstaunt sind, wie gut uns die Flaschen gefallen – bieten wir nun Schieferterrassen und von blauem Schiefer in beiden Varianten an.
Sehr gut ist er geworden, der 2008er. Schon wieder ein Spitzenjahrgang. Zugegeben, das klingt nach PR. Aber es stimmt. Und es lässt sich aus zwei Faktoren ableiten: Klima und Winzer. Nach der „kleinen Eiszeit“ vom 16. bis 20. Jahrhundert steigt heute das Thermometer endlich wieder auf „Normal“. Und da es gleichzeitig im Sommer mehr regnet, können unsere Trauben optimal ausreifen. Da heißt es nur noch, in hochwertigen Weinbergen zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Arbeiten zu erledigen. Das ist zwar leichter – und preiswerter – gesagt als getan, aber Dank vieler fleißigen Hände sind wir hervorragend aufgestellt: Über 20 Minuten qualifizierter Arbeit stecken heute in jeder Flasche Heymann-Löwenstein. Garant für eine individuelle und liebvolle Pflege jeder einzelnen Rebe.
Eine Gruppe von Weinfreunden machte das, was wir im Weingut viel zu selten tun: Sie genossen einen Abend mit den letzten sieben Jahrgängen UHLEN Roth Lay. Alle einige Stunden dekantiert, nicht zu kalt serviert; eingeschenkt in große Gläser: Ein wenig neidisch, nicht dabei gewesen zu sein, lese ich die Verkostungsnotizen im Internet. Karamell, Tabak, ungewöhnliche florale Noten à la Kamille, und da am Gaumen tiefgründige Mineralität, Salzigkeit… Ganz besonders freut es uns zu lesen , das der „winner des Abends der ältestes Wein der Rund war, der 2001er…
Mit dem Jahrgang 2007 freuen wir uns auf einen eleganten Klassiker. Nach einem ungewöhnlich frühen Austrieb und Blüte hatten die Trauben in einem kühlen Sommer über fünf Monate lang Zeit, Mineralien aus dem Schiefer ein zu lagern und die Aromen ausreifen zu lassen. Und der schöne Herbst erlaubte es uns, in aller Ruhe Weinberg für Weinberg in einem optimalen Reifezustand zu ernten. Nun blubbert der Jungwein im Keller gemächlich vor sich hin. Langsam kommen auch immer noch gärenden Weine des Jahrgangs 2006 zur Ruhe. Den Röttgen füllen und versenden wir im Februar und den Uhlen Roth Lay wie geplant im April.
Die lange Fassreife im ständigen Kontakt mit den wilden Hefen ist, neben guten Weinbergen, alten Reben und reduzierten Erntemengen, Basis für geschmackliche Komplexität. Aber auch für die anderen wichtigen Dimension eines Terroirweins, für Alterungspotential und Lebendigkeit. Nun hat jeder Wein seine individuelle Dynamik und in jedem Gaumen tanzen ganz unterschiedliche Geschmacksknospen… Immer wieder erleben wir jedoch in den ersten Monaten nach der Flaschenfüllung, aber auch Jahre später, in der beginnenden Reifephase, wie die Aromatik verschlossen und die Finessen von wilden Aromen maskiert sein können. Daher empfehlen wir sehr das Dekantieren in eine großbauchige Karaffe. Die Weine blühen regelrecht auf und entfalten ihre elegante Frucht und finessenreiche Mineralität. Bei den Schieferterrassen reicht meist ein halbe Stunde, bei den Lagenweinen raten wir zu zwei bis vier Stunden. Ganz extreme Weine, wie etwa der Uhlen Roth Lay des Jahres 1990 oder 2000, benötigen sogar 12 Stunden. Und wenn Sie die Weine dann moderat gekühlt nicht unter 12° im großen Glas genießen…
das Gute, sagt ein Sprichwort, ist leise. Bei unseren Weinen ist es auch langsam. Fast ein ganzes Jahr lang reiften die 2006er im Fass. Nun, nach weiteren Monaten in der Flasche, strahlen sie in sinnlicher Individualität. Genuss für viele Tage, für viele Jahre… Terroirweine leben einen ruhigen, einen langsamen Rhythmus.
Das Einfühlen und Mitschwingen mit den Terroirs ist einer der spannendesten Aspekte unserer Arbeit. Um ein Gefühl für die Unterschiede der verschiedenen Schieferformationen zu entwickeln und um ausreichend Informationen für die Klassifikation der Lagen zu sammeln, vinifizierten wir in den 90er Jahren alle Weine gleich. Heute lernen wir, den Besonderheiten unserer Weinberge auch im Keller Rechnung zu tragen. Immer mehr Weine gären im Holzfass, und gerade bei den 1.Lagen spüren wir einen enormen Zugewinn von Komplexität, geschmacklicher Tiefe und Lagerfähigkeit bei einer noch längeren Reife auf der Feinhefe.
Die wichtigsten Partien des 2006er UHLEN Roth-Lay werden wir daher erst im März des nächsten Jahres auf Flaschen ziehen. Ein großer und wichtiger Schritt bei der Weiterentwicklung des Terroirkonzepts. Bis Ende Mai 2007 reservieren wir diesen Wein im Vorverkauf.
Und die anderen 2006er? Wieder sehr gut, wieder viel zu wenig. Große Ausfälle durch Hagel und Krankheiten, kein Stolzenberg, extrem wenig Schieferterrassen… Aber das, was wir ernten konnten, war phantastisch. Kleine, goldgelbe Trauben mit hochwertigem Botrytis in optimaler Reife, »schöner wie gemalt«.
Damit hatten wir nun wirklich nicht gerechnet: Michel Bettane und Thierry Desseauve, die renommiertesten französischen Weinjournalisten, überreichten uns im Louvre während eines Galadiners den Oscar für den »ausländischen Wein des Jahres«. Nicht der Unico von Vega Sicila, nicht der Montebello von Ridge… Es war der Uhlen Laubach, der zwischen Château d’Yquem (Sonderpreis Emile Peynaud) und Château Latour (Wein des Jahres) auf dem Siegertreppchen stand. Zum ersten mal seit der Weltausstellung im Jahre 1900 wurde in Paris ein Riesling derart ausgezeichnet und damit, wie Bettane in seiner Laudatio ausführte, endlich wieder im Kreis der »großen europäischen Kulturweine« bejubelt. Quel honneur! Nicht nur für unser Weingut sondern für alle, die es der Rieslingrebe ermöglichen, die spannende Identität uralter Weinberge auf so faszinierende Art ins Glas zu sublimieren. Aber was wäre die Terroirbewegung ohne die Genießer, ohne auch Ihre Bereitschaft, sich von unseren »Klängen der Schiefer« verführen zu lassen! Dafür möchten wir Ihnen ganz herzlich danken.
Ein »normaler« Jahrgang? Was in die moderne, superlative Marketingwelt scheinbar nicht mehr hineinpaßt, ist für uns elementare Basis hochwertiger Terroirweine. Denn mehr als Sonne, Alkohol und Power interessieren die leisen, die subtilen Töne: Die fließenden Übergänge von maritimem zu kontinentalem Klima, der Wechsel zwischen Wärme und Kälte, von Trockenheit und Nässe. In diesem Spannungsbogen wird die Individualität von Jahrgang und Weinberg, wird Schiefer schmeckbar. Die finessenreiche Tiefe des Jahrgangs 2004 findet so im 2005er mit faszinierend präzisen Terroiexpressionen eine spannende Fortsetzung. Vielleicht einen Hauch verspielter – bei gleichzeitig geradezu vibrierender Komplexität.
Wie ’71 und ’76 wird 2005 auch als großes Botrytisjahr in die Weingeschichte eingehen. Dank einer unglaublichen Fülle optimal eingetrockneter Trauben konnten wir neben hochkonzentrierten »alten Reben« aus Schieferterrassen und Röttgen ein noch nie dagewesenes Spektrum edelsüßer Auslesen vinifizieren. Die vielen Rosinen reduzierten allerdings die Erntemenge bei unseren Klassikern ganz erheblich. Wir bitten Dich daher dringend – falls nicht schon geschehen – um rechtzeitige Reservierung und bitten um Verständnis, wenn wir die Bestellung vielleicht etwas kürzen müssen. Wie üblich werden die Weine ab September ausgeliefert.
Nach einem gerade für unsere kargen Schieferböden so wichtigen feuchten Sommer und einem warmen und trockenen Spätherbst konnten die kerngesunden und gold-gelben Trauben des Jahrgangs 2004 teilweise bis Dezember am Rebstock ausreifen. Wie üblich kommt jetzt im Frühling wieder Leben in unseren Keller. Die Hefen erwachen aus ihrem Winterschlaf, die Gärung setzt wieder ein… Und wir freuen uns auf einen »Klassiker«, auf individuelle, klare und präzise Schieferaromen.
▄ Terroir. In die Terroirbewegung kommt immer mehr Dynamik. In allen Regionen Deutschlands haben die Mitglieder der »Prädikatsweingüter (VDP)« ihre Weinberge klassifiziert. Ab dem Jahrgang 2004 werden nur noch Weine aus klassifizierten Lagen mit dem Namen des Weinbergs auf dem Etikett ausgezeichnet werden. Die vielen heute noch gebräuchlichen nichtssagenden Lagennamen verschwinden so langsam vom Markt. Damit können sich die klassifizierten Lagen zu einem Hinweis auf ein hochwertiges Terroir entwickeln können. Freiwillig ist nach wie vor die Teilnahme an dem Konzept »grand cru«. Nur die Weine aus den besten Parzellen der klassifizierten Lagen dürfen sich nach strengen Kontrollen mit dem Logo »1 mit Traube« schmücken. Auch hier steigt die Zahl der teilnehmenden Winzer von Jahr zu Jahr. Mittlerweile reifen »erste Gewächse«, »große Gewächse« und »erste Lagen« auf immerhin gut 8 % ( 327 ha ) der Rebfläche unserer Mitgliedsbetriebe.
▄ Vom Öchsle zum Terroir. Unter diesem Titel publizierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Oktober vergangenen Jahres einen von Reinhard Löwenstein verfassten ganzseitigen Artikel über die Entwicklung des deutschen Weinbaus in den letzten 100 Jahren. Gerade die in dem den Artikel angesprochenen kulturellen Fragen haben dazu beigetragen, weite Kreise unserer Gesellschaft für dieses Thema zu sensibilisieren und viele politische Bündnispartner zu gewinnen. Der Artikel wurde mittlerweile in vielen Zeitschriften in größerem Umfang zitiert und kommentiert und wird gerade in verschiedene Sprachen übersetzt.
▄ Superjahrgang 2003 zum Zweiten. Wie alle Nord-Europäer haben auch wir den wärmehungrigen Imperativ »je Sonne desto Wohlbefinden« tief in unseren Genen stecken – und projizieren ihn auch auf den Wein. Und wenn die offizielle Weinwer-bung und verschiedene Medien in das gleiche Marketinghorn blasen und von einem Jahrhundertsommer schwadronieren lesen sich Sätze wie »das Assimilationsoptimum der Rieslingrebe liegt bei 27°C und bei bedecktem Himmel« oder, noch schlimmer, »die Weine aus dem Norden sind so gut, weil hier die Sommer so schön kühl und feucht sind«, als ketzerische Unkerufe sonnenhassender Intellektueller. Aber es stimmt. Die besten Weine reifen weder in Sizilien noch in Algerien. Sie reifen in den kühleren Regionen des Nordens, wobei sich jede Rebsorte an ihrer Klima-grenze »reibt«. Der Nebbiolo in Piemont, Cabernet Sauvignon in Bordeaux, Syrah an der nördlichen Rhône, und der Riesling in den Flusstälern Deutschlands.
▄ Jahrgangscharakter. Wie ein roter Faden zieht sich die Typizität des jeweiligen Jahrgangs durch alle unsere Terroirs. Ein Jahr betont die atmosphärischen Komponenten der Weine, das nächste lebt mehr aus der Mineralität, während sich das dritte vielleicht durch eine komplexere Textur oder eine botrytisgeprägte Wildheit auszeichnet. Für uns sind dies Unterschiede in der Stilistik, nicht in der Qualität. Die können wir allerdings nur dann gewährleisten, wenn wir im Weinberg auf die wechselnden Wetterbedingungen an-gemessen reagieren. Schneiden wir die Blätter ab, damit die Trauben in die Sonne kommen oder belassen wir sie – wie im vergangenen Jahr – möglichst lange im Schatten? Wo liegt das optimale Wurzel-Frucht und Blatt-Frucht Verhältnis, d.h. wie viele der Tauben entfernen wir in der grünen Lese? Und, zu guter Letzt, die Gretchenfrage: Wie schmecken die Trauben, wie der Wein? Qualitativ, so unser Anspruch, müssen die Weine in jedem Jahr den gleichen Kriterien standhalten: Wir verlangen nicht nur einen herausragend guten Geschmack, sondern darüber hinaus einen klar erkennbaren, für die jeweilige Lage typischen Terroircharakter. So schwanken die letztlich auf Flasche gezogenen Mengen oft erheblich. Beim »Uhlen Roth Lay« z.B. bewegt sich die Füllemenge jahrgangsbedingt zwischen 3000 und 10.000 Litern.
▄ Superjahrgang 2003 zum Dritten. Nur Anhänger eines extrem anthropozentrischen Weltbildes mögen glauben, der Liebe Gott habe die Rebe wachsen lassen, auf dass sie uns mit ihrem leckerem Nektar erfreue. Biologisch gesehen will die Rebe – wenn das Wort »wollen« in diesem Zusammenhang überhaupt einen Sinn macht – etwas anderes, sie will sich vermehren. Die sogenannte physiologische Reife ist dann gegeben, wenn die Kerne der Trauben entwickelt sind und eine genetische Vermehrung ermöglichen. Aber genau diese Reife hat mit der Frage nach der Qualität des Weins herzlich wenig zu tun. Die »optimale physiologische Reife«, die als Werbe-botschaft auch für den Jahrgang 2003 permanent herhalten muss, ist inhaltlicher Nonsens. Es geht nicht um »physiologische« sondern um die »oenologische Reife«, um die optimale Reife im Hinblick auf einen bestimmten Wein.
▄ Superjahrgang 2003 zum Vierten. War es also zu heiß für den 2003er? Eindeutige Antwort: Ja. In dem einen Jahr ist der Austrieb zu früh, im anderen zu spät. Mal ist es zu kalt, mal zu nass. Und 2003 war bei uns einfach zu heiß und zu trocken. Nach einem guten Austrieb und einer frühen Blüte sah es bei dem optimalen Wetter im Frühsommer ganz so aus, als würde die Weinlese schon im August stattfinden. Horrorszenario! Und dann kam die Hitze. Sechs Wochen lang waren die Reben damit beschäftigt, die letzten Tropfen Wasser aus der Erde zu ziehen, um sich vor dem Hitzetod zu retten. An eine Weiterentwicklung der Trauben war nicht zu denken. Besonders in den exponierten Terrassen mussten wir in dieser Zeit viele Trauben ausdünnen, um das Überleben der Reben zu gewährleisten. Als es dann Mitte August endlich etwas abkühlte war es für viele Trauben zu spät. Sie hingen leb- und aromenlos an den Reben und wurden von uns auf den Boden geschnitten. In etwas besser versorgten Terrassen waren sie dann zumindest gut genug für unseren Ikarus. Das Gros der Reben fand jedoch Zeit, sich langsam wieder an einen normalen Stoffwechsel zu gewöhnen. Nicht nur an der Struktur der Blätter, auch am Geschmack der Beeren konnte dieser Prozess verfolgt werden. Aus nichtssagenden, langweiligen Trauben im August entwickelten sich bis Ende Oktober feinfruchtige, delikate Aromenkonzentrate. Der leichte Frost in der Nacht vom 4. auf den 5. November, der die Blätter zu Boden fallen ließ, war dann das Startzeichen für den Beginn der Hauptlese. Bei wunder-barem Wetter – nur an zwei Tagen mussten wir wegen Regen unterbrechen – konnten wir bis Ende November optimal ausgereifte, hocharomatische Beeren ernten. Der Geschmack der Trauben, des Saftes und des gärenden Weins lässt einen Jahrgang erwarten, der mit den Worten präzise, klar, feinmineralisch und komplex beschrieben werden kann. Trotz Trockenheit hatten wir übrigens einige Botrytisinfektionen, die uns neben einem optimalen Anteil Rosinen in den trockenen Weinen auch herausragende Süßweine bescherten. Dabei sprengt die Trockenbeerenauslese aus dem Uhlen Roth Lay in ihrer enormen Konzentration alles bisher da gewesene.
▄ Lob der Weine. Selbst die Konservativen der Weinszene, die das Wort »Mosel« prinzipiell als liebliche Spätlese buchstabieren, nehmen seit einigen Jahren die Existenz von Spitzenlagen flussabwärts von Ürzig zur Kenntnis und loben die Stilistik unserer Terroirs als einen eigenständigen Beitrag zur Weinkultur. Momentan werden wir von fast allen Medien mit positiven feed-backs überhäuft. Das manager-Magazin schreibt über »den vielleicht besten Winzer Deutschlands«, der Feinschmecker nominiert uns als einziges deutsches Weingut zum Wein-Oscar. Selbst das Frontgirl der Süßweinfraktion, der Gault Millau, schwärmt von »außergewöhnlichem Potential, hoher Reife und besonderer Würze der finessenreichen trockenen Rieslinge«. Auch in der internationalen Weinszene geniesen die Weine ein sehr hohes Ansehen. Wenn Jancis Robinson unserem Uhlen »a similar structure to the fullest mature white burgundy« bescheinigt und sogar dem Schieferterrassen »grand-cru Charakter« bescheinigt, wenn Michel Bettane schreibt, dass ihm unsere 2001er Uhlen Auslese Goldkapsel genauso gut schmeckt wie Château Margeaux 2000 und deutlich besser wie Mouton Rothschild, Ausonne und Léoville Las Cases… Keine Sorge, wir bleiben auf dem Teppich. Aber wir freuen uns riesig und möchten uns an dieser Stelle für die vielen Komplimente und die konstruktive Kritik der Presse ganz herzlich bedanken. In Zeiten, in denen sich unsere Weine »fast von alleine« verkaufen, gilt unser größter Dank jedoch unseren Kunden: Für die vielen Diskussionen, die oftmals langjährige Solidarität, für die vielen, vielen Weiterempfehlungen und, ganz profan, fürs Ordern und Trinken.
Aus anderer Perspektive:
Dazu passt:
Feinherber Feminismus
Video mit Kathrin Höhler