Subtiler ist der architektonische Einfluss auf Mensch und Wein bei der Traubenverarbeitung: Im Kubus steht die Zahl Neun im Fokus. Die Grundfläche beträgt 9 mal 9 und die Höhe 8,10 Meter. Wie ein Leitton in der Musik zur nächsten Oktave führt, evoziert die Zahl 9 den Sprung zur nächsthöheren Dimension unseres Dezimalsystems, zu einer höheren Qualität. Trauben werden im Kubus sortiert und zu Traubensaft gekeltert. Und nach Gärung und Reife in den Kellergewölben erblicken sie hier als Wein wieder das Licht der Welt und werden auf Flaschen gezogen.
Zusätzlich ist die Zahl Neun auch das Symbol des Einsiedlers, des alten Manns mit der Lampe in der Hand. Sie leuchtet nach außen, um mit klarem Gedanken optimale Rahmenbedingungen für unsere Vinifikation zu ermöglichen. Und sie leuchtet nach innen, lässt uns immer wieder unbekannte, geheimnisvolle und unkalkulierbare Aspekte der Vinifikation erspüren.
Ziel industriellen Weinmachens ist es, durch Einsatz moderner Lebensmitteltechnologie ein Optimum an vorgeplantem Geschmack zu produzieren. Dem gegenüber steht die Idee der Vinifikation von Terroirwein: Wein als nachhaltiges Kulturgut entsteht in der konstruktiven Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur. Welche Interventionen sind sinnvoll? Wo sind die roten Linien? Ein Zusatz von Schönungen, Enzymen und Hefen sind bei uns tabu. Im grünen Bereich sehen wir rein physikalische Maßnahmen wie Kühlung und Filtration. Und wir erachten es für wichtig, ein positives energetisches Umfeld zu schaffen, damit Terroirwein als singuläres, authentisches Kulturgut entstehen kann.
Angelehnt an die äolischen Harfen im alten Griechenland fängt eine aus dem Kellergewölbe hinausragende Panflöte den Wind ein und lässt den Keller in einem geheimnisvollen Sound erklingen. Gegenpol zur Stimme Apollos sind die dionysischen Energien: Durch das Kellergewölbe plätschert Grundwasser der Mosel.
An der Grenzfläche zwischen Kontrolle und Laissez-faire, zwischen Ordnung und Chaos, beim energetischen Ausgleich der Kräfte Apollons und Dionysos‘, von Feng und Shui…. Hier entsteht Neues, hier inkarniert 400 Millionen Jahre alter, versteinerter Meeresboden zu einem jedes Jahr wieder überraschend anderen, einzigartigen Geschmackserlebnis.
Auch im Kubus wurde dieses Energiekonzept umgesetzt. Die quadratische Form ist Symbol der Zahl Vier, der Fortifikation, der männlichen Energie. Sie zum Ausgleich zu bringen, ist das umlaufende Fensterband in die einem Mondmonat entsprechende Anzahl von 28 Feldern untergliedert. Und, wie in gotischen Kathedralen, bildet das von oben durch diese Fenster einfallende Licht den Gegenpol zum Dunkel des tiefen Gewölbekellers. Bei der Fassadengestaltung wird die dionysisch-wilde, archaische Dimension unseres Weins durch die über offenem Feuer verkohlten Holzbretter verkörpert. Diese erste Hülle wird »umarmt« von himmlischer Poesie, von einer Kalligraphie über Pablo Nerudas „Ode an den Wein“.
So ist unsere Arbeit auf vielfältige Weise beseelt durch die kreative Begegnung der Energien von Apollon und Dionysos. Hier arbeiten wir gern, als kritische Kontrolleure, als engagierte Akteure und als unreflektierte, emotionale Bestandteile dieses so faszinierenden, schöpferischen Prozesses der Entstehung von Terroirwein.
Als nachhaltiges Weingut hat Heymann-Löwenstein neben Ökologie und Ökonomie ganz besonders auch die Menschen im Fokus. Ein spannendes Angebot zur Persönlichkeitsentwicklung, zur Emanzipation. »Der wahre Reisende weiß nie, wohin die Reise geht«. (Zhuangzi)