Spontanvergärung gehört in der Weinszene zur gleichen Wortfamilie wie ökologisch, nachhaltig, Terroir, Tradition und Handwerk. Kaum ein Winzer, der diese Begriffe nicht mehr oder weniger geschickt in seine Außendarstellung einfließen lässt. Nun denn ...
Faites votre jeux - ein Keller gärender Möglichkeiten
- Ein Most gärt ohne Zusatz von Hefen - so wie seit vielen tausend Jahren.
- Der „pied de cuve“, oder das Prinzip Sauerteig: Zu Beginn der Lese werden besonders gesunde und reife Trauben geerntet und spontan ans Gären gebracht. Mit dem gärenden Most werden dann die später gekelterten Partien geimpft.
- Ein Most beginnt ohne Hefezusatz mit der Gärung, wird aber dann später mit Zuchthefen geimpft, um auf Nummer sicherzugehen.
- Je nach Zustand der Trauben erfolgt die Gärung spontan oder mit Zuchthefen.
- Jeder Wein wird mit einer Hefe zum Gären geimpft
- Je nach gewünschtem Geschmacksprofil werden unterschiedliche Hefen eingesetzt.
Anmerkung: Ab Variante 3 lassen sich fast immer gezüchtete Hefen auch in den nicht geimpften Fässern nachweisen. Nach anfänglichem Gerangel verschiedener wilder Mikroben dominieren normalerweise gegen Ende der Gärung die kräftiger veranlagten Hefen der Gattung sccaromyces cerevesiae. D.h. ab Variante 2 erfolgt die Gärung mehr oder weniger ausschließlich mit ausgerechnet denjenigen Hefen, die geschmacklich nicht so viel zu bieten haben. (Die Frankensteins entnehmen daher RNA aus anderen Hefen um sie Saccaromyceten einzupflanzen.)
Darf's noch etwas genauer sein? Gerne. Hier, frei nach Dante...
Und bei Heymann-Löwenstein?
Die Individualität von Weinberg und Jahrgang schmecken. Leicht gesagt. Aber wie entsteht der Geschmack? Felsen und Steine können wir sehen, anfassen und wenn wir wollen auch analysieren. Aber wie wird aus Steinen Erde, wie wird die Erde pflanzenverfügbar. Die Bodenflora und -fauna, die Welt der Mikroben mit ihren vielfältigen Interdependenzen und jahrgangs- resp. mikroklimabedingten Schwankungen, ist im Grunde völlig unbekannt. Was aber für uns kein Problem ist, denn es funktioniert ja sehr gut. Vinifikation von Terroirwein heißt für uns, den vielfältigen Mikroben nicht ins Handwerk zu pfuschen. Sowohl was das Bodenleben angeht – seit 40 Jahren düngen wir ausschließlich mit selbst hergestelltem Kompost – wie auch bei der alkoholischen Gärung – seit 30 Jahren nur mit wilden Hefen.
Der alleinige Verzicht auf Hefezusatz ist allerdings zu kurz gesprungen. Terroirvinifikation bedeutet, die Vielzahl der an den Trauben anhaftenden Mikroben nicht zu zerstören. Kein Schwefel auf Trauben oder Maische! Aber auch ein weiterer Grund, kein Bentonit und keine Enzyme zu verwenden. Bentonit, eine „natürliche“ Tonerde, ist ein auf den ersten Blick durchaus sympathisches Mittel, um den Most zu reinigen. Aber ein mit Bentonit gereingter Most hat 30% weniger Aminosäuren. Was für ein Eingriff in die Mikrobiologie!
Claro, nicht alle Mikroben meinen es gut mit uns. Eine derartige Vinifikation ist daher nur möglich durch extrem sorgfältiges Sortieren der Trauben. Alles, was mikrobiell belastet ist – es sei denn, es ist hochwertiger Botrytis – landet auf dem Kompost. Und, wir arbeiten mit Temperatur. Die Trauben kommen aus dem Weinberg so schnell es geht in unseren Kühlraum, werden kalt sortiert und erwärmen sich erst wieder beim Keltern. Dann werden die traubeneigenen Enzyme langsam aktiv, die Gärung beginnt und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Seit 30 Jahren, und in jedem Jahr viele, viele verschiedene Fässer. Entgegen den Unkenrufen der Apologeten von Hefeindustrie & Co gab es bislang nicht einen einzigen Betriebsunfall, d.h. keinen Anruf unsererseits bei der Fa. Hengstenberg…. Obwohl, der Anteil der Essigbakterien kann während der Gärung bedrohlich ansteigen. Woher wir das wissen? Das Mikrobiologische Institut der Uni Mainz hat unseren Gärverlauf untersucht. Vom frischen Most an der Kelter bis zur ersten Schwefelung im Folgejahr wurden alle drei Tage Proben entnommen, in denen alle Mikroben über ihre RNA exakt bestimmt wurden. Das Ergebnis: Über 20 verschiedene Bakterien, über 20 verschiedene Hefen. Ein stetes Kommen und Gehen…. Und zu guter Letzt konnten tatsächlich keinerlei Hefen der Gattung saccaramyces cerevesiae – die sich nach gängiger Lehrmeinung am Ende jeder Gärung durchsetzt – festgestellt werden. Dafür ein bislang unbekannter Heymann-Löwenstein-Hybrid! Sehr spannend, und viel Wasser – nein, besser – viel guter Wein auf unsere Terroirmühlen.